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Fragen und Antworten

Hier findest du die wichtigsten Informationen rund um das Thema Rhesusfaktor, Prophylaxeversagen und irreguläre Antikörper

Was ist der Rhesusfaktor und wofür brauche ich eine Rhesusprophylaxe?

Auf der Oberfläche der Erythrozyten, der roten Blutkörperchen, befinden sich eine Reihe von Eiweiß - Molekülen, sogenannter Antigene. Das bekannteste dieser Antigene ist der Rhesusfaktor. Bei rhesus - positiven Menschen ist dieses Merkmal vorhanden, bei rhesus - negativen Menschen fehlt es.

Zum Problem kann der Rhesusfaktor werden, wenn eine rhesus - negative Mutter ein rhesus - positives Kind erwartet. Normalerweise sind die Blutkreisläufe von Baby und Mutter getrennt. Es gibt jedoch eine Reihe von Ereignissen, bei denen

Blutzellen des Kindes in den Blutkreislauf der Mutter gelangen können. Dazu zählen unter anderem:

 

  • Blutungen in der Schwangerschaft

  • Fehlgeburt

  • Invasive Eingriffe, beispielsweise Fruchtwasserpunktionen

  • Bauchtraumata (schwerer Sturz oder Schlag auf den Bauch)

  • Feto - maternale Transfusionen (Übertritt kindlicher Blutzellen in die Blutbahn der Mutter), insbesondere im letzten Schwangerschaftsdrittel

  • Geburt

 

In diesen Fällen erkennt das Immunsystem der Mutter die Blutzellen des Kindes aufgrund der abweichenden Oberflächeneigenschaften als “fremd”. Der Körper beginnt mit der Produktion von Antikörpern (Anti - D), welche die fremden Blutzellen zerstören und sie so unschädlich machen.

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In der ersten Schwangerschaft ist dies in der Regel noch kein allzu großes Problem, denn meistens werden die Antikörper erst nach der Geburt oder gegen Ende der Schwangerschaft gebildet. Bei einer weiteren Schwangerschaft können die Folgen jedoch fatal sein. Auch wenn die Antikörper nach der Entbindung wieder zurückgehen können, der Bauplan bleibt im Körper der Mutter gespeichert - man spricht von einer Rhesusimmunisierung oder Sensibilisierung. Bei einem erneuten Kontakt mit fremden Blutzellen beginnt der Körper sofort mit der Antikörper - Produktion. Das gelingt ihm von Schwangerschaft zu Schwangerschaft schneller und effizienter. Die Antikörper machen dabei nicht in der Blutbahn der Mutter halt, sie passieren auch die Plazenta und erkennen so fälschlicherweise die Blutzellen des ungeborenen Kindes als “Eindringling”. Nach und nach werden so die roten Blutkörperchen des Babys zerstört. Mit der Zeit führt dies zu einer Blutarmut (Anämie) beim Ungeborenen, die unbehandelt zu einem Hydrops fetalis (Flüssigkeitsansammlung im Körper des Fötus) und im schlimmsten Fall zum Tod des Kindes führen kann.

 

Noch in den 60er Jahren war dies eine gefürchtete Schwangerschaftskomplikation und jedem Geburtshelfer wohl vertraut. Spätestens in der dritten Schwangerschaft starben viele Kinder daran. Mit der flächendeckenden Einführung der Rhesusprophylaxe hat sich das zum Glück geändert. Dabei werden der werdenden Mutter Anti-D Immunglobuline gespritzt. Im Fall, dass nun kindliches Blut in den Kreislauf der Mutter gelangt, wird dieses durch die in der Spritze enthaltenen Antikörper neutralisiert - ohne dass der Körper selbst mit der Produktion von Antikörpern beginnen muss. Einige Wochen nach der Verabreichung verschwinden die Antikörper wieder vollständig aus dem Körper, ohne dass sich dieser den Bauplan dafür gemerkt hätte. Heutzutage kann durch eine Blutabnahme bereits vor der Entbindung die Blutgruppe des Kindes bestimmt werden. Nur in Fällen, in denen eine rhesus - negative Mutter mit einem rhesus - positiven Kind schwanger ist, wird zu Beginn des dritten Trimesters, nach der Geburt sowie nach einem der oben genannten Ereignisse die Rhesusprophylaxe verabreicht und so (meistens) erfolgreich eine Rhesusimmunisierung verhindert.

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Was sind Irreguläre erythrozytäre Antikörper?

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Neben dem Rhesusfaktor gibt es auch noch eine Reihe anderer Antigene auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen, gegen die sich Antikörper bilden können. Anders als beim Rhesus - Merkmal gibt es hierfür keine Prophylaxe. Nicht alle davon sind gefährlich für das ungeborene Kind, einige können jedoch ebenfalls zu einer fetalen Anämie führen. Besonders schwere Verläufe verursacht das seltene Anti - Kell, aber auch Anti - E oder Anti - c können für das Ungeborene gefährlich werden. Mögliche Therapiemaßnahmen sind dabei mit dem Vorgehen bei einer durch Anti-D ausgelösten fetalen Anämie identisch.

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Was ist ein Antikörper - Suchtest?

Der Antikörper - Suchtest prüft, ob sich Antikörper im Blut der Mutter befinden. Jede Schwangere wird routinemäßig zwei Mal auf irreguläre Antikörper untersucht - einmal zu Beginn der Schwangerschaft, einmal zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche.

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Werden dabei Antikörper entdeckt, ist es zunächst wichtig zu wissen, um welche Art von Antikörpern es sich dabei handelt und in welcher Höhe diese vorhanden sind.Die Antikörperkonzentration im Blut der Mutter wird durch den sogenannten Titer gemessen. Dieser gibt die Verdünnungsstufe an. Ein Titer von 1:1 bedeutet dabei, dass bei einer Verdünnung der Blutprobe im Verhältnis 1:1 noch Antikörper nachweisbar sind, 1:2 bei einer Verdünnung im Verhältnis 1:2 usw. Die Verdünnungsstufe wird dabei immer verdoppelt (1:1, 1:2, 1:4, 1:8...) Je höher die zweite Zahl, desto mehr Antikörper sind im Blut der Mutter vorhanden.

Ein positiver Antikörper - Suchtest bedeutet nicht automatisch, dass das Kind in unmittelbarer Gefahr ist. Zunächst einmal stellt er einen kontrollbedürftigen Befund dar. Als gesichert gilt eine Sensibilisierung bei Titern ab 1:16, ab Titern von 1:32 (im Fall der seltenen, aber sehr aggressiven Kell - Antikörper bereits 1:8) muss die Schwangerschaft genauer überwacht werden. Hier empfiehlt sich die Überweisung an ein Pränatalzentrum, in dem zur Not auch geeignete Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden.

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Hier wird im Mutterpass das Ergebnis des Antikörper - Suchtests vermerkt

Der Befund des Antikörper - Suchtests wird auf den Seiten 2 und 3 des Mutterpass vermerkt

Aber ich hatte doch eine Rhesusprophylaxe - Wie kann ich dann Antikörper haben?

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​Dass ein Antikörper - Suchtest nach Verabreichung der Rhesusprophylaxe positiv ausfällt, ist erst einmal normal. Dieser reagiert auch auf Antikörper aus der Spritze, die etwa bis zu 12 Wochen nach der Gabe nachweisbar sind. Gerade wenn in der Schwangerschaft bereits eine Prophylaxe - Dosis verabreicht wurde (beispielsweise aufgrund von Blutungen), hegen viele Frauen zunächst die berechtigte Hoffnung, es könnte sich dabei um Spritzenreste handeln. Ein entscheidendes Indiz ist dabei die Titerhöhe: Nach erfolgter Prophylaxe sind Titer im niedrigen, einstelligen Bereich nachweisbar. Wie oben bereits erwähnt, muss man bei höheren Titern > 1:16 von einer erfolgten Sensibilisierung ausgehen. Aber sollte die Prophylaxespritze dies nicht eigentlich verhindern? Im Normalfall tut sie das. Es gibt jedoch sehr seltene Fälle von sogenanntem Prophylaxe - Versagen. Dabei gelangt mehr kindliches Blut in den Blutkreislauf der Mutter, als durch die Spritze neutralisiert werden kann. In diesem Fall reicht die verabreichte Menge an Antikörpern nicht aus, so dass trotzdem körpereigene Antikörper gebildet werden. Geschätzt sind deutschlandweit knapp 250 Frauen pro Jahr trotz Prophylaxe von einer Rhesussensibilisierung betroffen. Das entspricht einer Wahrscheinlichkeit für ein Prophylaxe - Versagen von 0,3%.

Mein Antikörpersuchtest war positiv - wie geht es nun weiter?

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Wurde beim Antikörper - Suchtest Anti - D in klinisch relevanter Höhe nachgewiesen, sollte zunächst die Blutgruppe des Kindes bestimmt werden. Mit etwas Glück sind die Blutgruppen von Mutter und Kind identisch, die Antikörper können ihm dann nichts anhaben. In diesem Fall stammen die Antikörper aus einer vorherigen Sensibilisierung. Dieses Vorgehen macht allerdings nur Sinn, wenn bereits der erste Antikörper - Suchtest positiv ausgefallen ist. Die fetale Blutgruppenbestimmung ist non- invasiv durch eine Blutabnahme bei der Mutter ab der 12. Schwangerschaftswoche möglich. Sollten die Titer noch unterhalb des klinisch relevanten Werts liegen, wird zunächst durch regelmäßige Blutabnahmen kontrolliert, ob es zu einem Titeranstieg kommt. Bei Titern in klinisch relevanter Höhe wird das Kind engmaschig auf Anzeichen einer Anämie überwacht.

Donating Blood
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Wie wird eine Anämie beim Kind erkannt?

Ab der 16. Schwangerschaftswoche kann per Dopplersonografie die Blutflussgeschwindigkeit in der Kopfvene des Kindes gemessen werden. Je stärker die Anämie bereits fortgeschritten ist, desto “dünner” ist das Blut - und desto schneller fließt es. Liegt die Blutflussgeschwindigkeit mehr als 1,5 Standardabweichungen über dem Durchschnitt, ist von einer transfusionspflichtigen Anämie auszugehen. In diesem Fall besteht die Möglichkeit, dem Kind bereits im Bauch eine lebensrettende Bluttransfusion zu verabreichen - hierzu später mehr.

Die Kontrollen finden in der Regel 14 - tägig bis wöchentlich statt, gibt es Hinweise auf eine fortschreitende Anämie (z.b.steigende Titer oder Blutflussgeschwindigkeit knapp unter der Transfusionsgrenze) auch öfter. Auch regelmäßige Titerkontrollen finden statt. Bei einer Boosterung (das heißt ein Anstieg des Titers um mehr als zwei Stufen) werden die sonographischen Kontrollen zumeist engmaschiger durchgeführt. Der Titer allein hat jedoch wenig Aussagekraft für die Schwere der Anämie beim Kind. Er gibt lediglich die Konzentration der Antikörper im Blut der Mutter an - jedoch weder, wie viele davon beim Kind ankommen, noch welchen Schaden sie dort anrichten oder wie gut das Kind diesen kompensieren kann. Entscheidend sind daher immer die Ultraschallbefunde.

Messung der Blutflussgeschwindigkeit per Doppler - Ultraschall in der Arteria Cerebri Media

Die Bestimmung der Blutflussgeschwindigkeit in der “arteria cerebri media ermöglicht die rechtzeitige Erkennung einer fetalen Anämie

Intrauterine Transfusion - Was kommt auf mich zu?

Wurde eine behandlungsbedürftige Anämie beim Kind festgestellt, so gibt es die Möglichkeit, dem Kind bereits im Mutterleib eine Bluttransfusion - eine intrauterine Transfusion (IUT) - zu verbreichen. Dieser Eingriff kann ab der 20. Schwangerschaftswoche bis zur 35. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden.

Unter ständiger Ultraschallkontrolle wird dabei eine feine Hohlnadel über die Bauchdecke bis in die Nabelschnur gestochen. Am technisch einfachsten ist dabei die Punktion des Nabelschnuransatzes an der Plazenta. Ist dieser aufgrund einer Hinterwandplazenta nicht erreichbar, kann auch eine freie Nabelschnurschlinge punktiert werden.

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Über die Transfusionsnadel wird zunächst eine kleine Menge Nabelschnurblut entnommen und direkt der Hämoglobin - Wert (Anteil des roten Blutfarbstoffs) bestimmt. Anschließend wird über die gleiche Nadel langsam speziell aufbereitetes Erythrozytenkonzentrat der Blutgruppe 0 negativ (Universal - Spenderblut) transfundiert, bis der Hb - Wert wieder auf ein normales Niveau (in etwa 14 g/dl) angehoben ist. Der Eingriff kann als unangenehm bis leicht schmerzhaft wahrgenommen werden, eine örtliche Betäubung ist jedoch in der Regel nicht nötig. Der Effekt einer Transfusion hält danach in etwa zwei Wochen an. Nach der ersten Transfusion werden daher in etwa alle 10 - 14 Tage Folgetransfusionen bis zur Entbindung fällig. Nach der 35. Schwangerschaftswoche übersteigen die Risiken des Eingriffs die Risiken einer vorzeitigen Entbindung, so dass die Schwangerschaft vorzeitig beendet und das Kind außerhalb des Mutterleibs behandelt wird.

Die Risiken einer intrauterinen Transfusion sind mit denen anderer invasiver Eingriffe wie z.B. Amniozentese vergleichbar. Dazu zählen Infektionen, vorzeitige Wehen, Fruchtwasserverlust sowie zusätzlich Blutergüsse in der Nabelschnur und fetale Bradykardien durch die plötzliche Veränderung des Blutvolumens. Im schlimmsten Fall würden diese einen sofortigen Notkaiserschnitt erfordern. Falls möglich empfiehlt sich daher die Verabreichung der Lungenreifespritze im Vorfeld. Die Komplikationsrate pro Transfusion wird zwischen 1 und 3 % angegeben und hängt auch vom Zeitpunkt der ersten IUT, der Schwere der Anämie beim Fötus und der Erfahrung des transfundierenden Arzt ab.

Nach erfolgter Transfusion erfolgt eine Ultraschallkontrolle und anschließende CTG - Überwachung des Kindes. Häufig wird die Schwangere zur Beobachtung auch eine Nacht stationär aufgenommen. Nach dem Eingriff sollte sich die Mutter einige Tage schonen und auf schweres Heben verzichten. Weitere Vorsichtsmaßnahmen oder Bettruhe sind jedoch nicht nötig.

Blood Bags
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Was tun in der Frühschwangerschaft?

Ab der 20. Schwangerschaftswoche gibt es dank der IUT die Möglichkeit, dem Kind im Fall einer Anämie mit einer Bluttransfusion zu helfen. Doch was, wenn das Kind bereits vorher eine schwere Blutarmut entwickelt? Dieses Risiko ist vor allem gegeben, wenn es sich bereits um die zweite bzw. dritte... Schwangerschaft nach Sensibilisierung handelt, der Titer schon zu Beginn der Schwangerschaft sehr hoch ist oder es bereits in der Frühschwangerschaft zu einer Boosterung der Antikörper kommt. Vor der 20. Schwangerschaftswoche sind die Gefäße in der Nabelschnur noch zu klein und zu schwer erreichbar, als dass eine Nabelschnurtransfusion durchgeführt werden könnte. Zwar gibt es die Möglichkeit, ab etwa der 15. Schwangerschaftswoche Erythrozytenkonzentrat auch direkt in die Bauchhöhle oder ins Herz der Feten zu transfundieren, diese Eingriffe sind jedoch mit einer höheren Komplikationsrate und Mortalität des ungeborenen Kindes verbunden.

Damit es erst gar nicht so weit kommt, gibt es erfolgversprechende Ansätze für sogenannte “Bridging - Therapien”, mit denen das Fortschreiten der Anämie und der Zeitpunkt für die erste intrauterine Transfusion hinausgezögert werden sollen.

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Gute Erfolge lassen sich bereits mit einer Immunglobulin - Therapie erzielen. Dabei werden der Mutter wöchentlich hochdosiert per Infusion Immunglobuline verabreicht. Durch das “Überladen” des Organismus mit Antikörpern soll ein weiterer Titeranstieg verhindert und der Übertritt von Antikörpern durch die Plazenta erschwert werden. Gerade zu Beginn der Therapie kommt es häufig zu Nebenwirkungen in Form grippeähnlicher Symptome. Schwere Nebenwirkungen sind selten und werden durch ein sehr langsames Verabreichen des Medikaments über mehrere Stunden hinweg und sorgsame Überwachung der Schwangeren minimiert. Nach der ersten Gabe wird häufig eine stationäre Observanz über Nacht empfohlen, die weiteren Gaben können in der Regel tagesklinisch erfolgen. In Extremfällen wurde darüber hinaus von wiederholten Plasmapheresen, um den Antikörper - Spiegel im Blut der Mutter zu senken, als wirksame Überbrückungs - Methode bis zum Erreichen der Transfusionsfähigkeit berichtet.

Die Wirksamkeit der genannten Verfahren ist noch nicht eindeutig belegt, weswegen diese Off - Label zum Einsatz kommen. Da die Verfahren sehr aufwändig, teuer und mit Nebenwirkungen verbunden sind, werden diese bei Erreichen der Transfuisonsfähigkeit in der 20. Schwangerschaftswoche in der Regel eingestellt.

Ist mit der Diagnose eine Spontangeburt möglich?

Dies ist vom Verlauf der Schwangerschaft abhängig. Gibt es keine Anzeichen einer Anämie beim Kind, so spricht nichts gegen eine Spontangeburt. In der Regel wird jedoch bei enger überwachten Schwangerschaften eine Einleitung spätestens in der 38. Schwangerschaftswoche empfohlen. Dies hat verschiedene Gründe. Zum einen sind die Befunde der Dopplersonographie in den letzten Schwangerschaftswochen zunehmend weniger aussagekräftig, zum anderen möchte man eine Antikörper - Boosterung in den letzten Schwangerschaftswochen vermeiden. Wird nach der 35. Schwangerschaftswoche eine behandlungsbedürftige Anämie beim Kind erkannt, so wird zu diesem Zeitpunkt keine IUT mehr durchgeführt. Die Risiken des Eingriffs würden den Benefit einer längeren Schwangerschaft übersteigen. Da eine Einleitung in dieser Schwangerschaftswoche sehr zeitaufwändig sein kann, wird in diesen Fällen meist ein zeitnaher Kaiserschnitt empfohlen und das Kind nach der Entbindung weiterbehandelt. Bei Zustand nach einer oder wiederholten intrauterinen Transfusionen wird eine Entbindung in der Regel 10 - 14 Tage nach der letzten Transfusion angestrebt. So lange hält der Effekt der letzten Transfusion in etwa an. Ob dabei unter Umständen auch eine Einleitung in Frage kommt, hängt vom individuellen Gesundheitszustand von Mutter und Kind ab und muss im Einzelfall entschieden werden.

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Baby

Welche Komplikationen nach der Geburt sind möglich?

Die Antikörper der Mutter sind nach der Geburt nicht einfach aus dem Blutkreislauf des Kindes verschwunden, sondern befinden sich noch im Körper. Daher kommt es auch nach der Geburt zu einem weiteren Zerfall der roten Blutkörperchen. Dieser Vorgang nennt sich Hämolyse, die zugrunde liegende Erkrankung des Kindes “morbus hämolyticus neonartum”. Eine weitere, sehr häufige Komplikation ist eine verstärkte Neugeborenen - Gelbsucht (Hyperbilirubinanämie).

Zur Gelbsucht kommt es, wenn im Körper alte oder defekte rote Blutkörperchen abgebaut werden. Dabei entsteht das Abbauprodukt Bilirubin. Bei sehr hohen Bilirubinspiegeln kann dieses nicht ausreichend schnell vom Körper ausgeschieden werden. Es lagert sich im Blut, in der Haut und anderen Geweben ab und führt dort zu einer Gelbfärbung. Unbehandelt könnte sich Bilirubin auch im Gehirn ablagern und würde dort zu neurologischen Schäden führen. Damit dies nicht geschieht, wird der Bilirubinspiegel durch regelmäßige Blutkontrollen genau im Auge behalten, bei Bedarf erhalten die Neugeborenen eine Phototherapie. Durch die Bestrahlung mit Blaulicht werden die Bilirubin - Moleküle aufgespalten und können so rascher vom Körper ausgeschieden werden. Begleitend erhalten die Kinder häufig Infusionen mit Flüssigkeit, um den Ausscheidungsprozess weiter zu beschleunigen. Lässt sich der Bilirubinspiegel im Blut durch Phototherapie alleine nicht ausreichend senken, kann eine Austauschtransfusion notwendig werden. Der Höhepunkt des Bilirubinspiegels im Blut ist meist um den fünften Lebenstag herum erreicht; nach etwa 10 - 14 Tagen ist die kritischste Phase für die Entwicklung einer behandlungsbedürftigen Neugeborenengelbsucht meist überstanden.

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Bei ausgeprägter Hämolyse kann unter Umständen eine Bluttransfusion nötig werden, die nach der Entbindung natürlich wesentlich leichter und risikoärmer verabreicht werden kann als dies während der Schwangerschaft der Fall war. Ein Problem wiederholter Bluttransfusionen ist jedoch, dass die körpereigene Blutproduktion zunächst gehemmt wird. Gegebenenfalls kann versucht werden, die Blutproduktion durch die Gabe bestimmter Medikamente (z.B. Erythropoetin) anzukurbeln.

In jedem Fall muss während der ersten Lebensmonate das Blutbild des Kindes noch regelmäßig kontrolliert werden. Es kann um die 12 Wochen dauern, bis alle Antikörper aus dem Blut des Kindes verschwunden sind und das Blutbild stabil bleibt.

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Abhängig von der Schwangerschaftswoche, in der die Entbindung stattfand, können auch typische Frühchen - Baustellen wie Temperaturerhalt, Sättigungsabfälle oder Trinkschwäche auftreten. Sowohl die Hyperbilirubinanämie als auch die hämolytische Anämie machen die Kinder häufig müde und schläfrig. Es ist sinnvoll, sich nach der Geburt zunächst einmal auf 1 - 3 Wochen Kinderklinik einzustellen.

Ein Neugeborenes erhält eine Fototherapie

Ein Neugeborenes

erhält eine Phototherapie

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Wann ist mein Kind gesund?

Die gute Nachricht ist: So nervenaufreibend die Schwangerschaft auch sein mag -irgendwann sind alle Antikörper aus dem Körper der Kinder verschwunden. Sind die anfänglichen Startschwierigkeiten durch Neugeborenengelbsucht und Anämie erfolgreich behandelt, sind die Kinder völlig gesund. Langzeitfolgen sind nicht zu erwarten. Im Falle einer Frühgeburt bestehen zwar die für Frühchen gegebenen Entwicklungsrisiken, diese unterscheiden sich jedoch nicht von denen anderer Kinder, die in der entsprechenden Schwangerschaftswoche geboren wurden.

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Family Planning
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Irreguläre Antikörper und Kinderwunsch

Die Diagnose Rhesussensibilisierung (oder der Nachweis anderer irregulärer Antikörper) kann für die Betroffenen erst einmal ein Schock sein. Gerade wenn noch ein Kinderwunsch besteht, fragen sich viele Paare, ob man die Kinderplanung nicht lieber an den Nagel hängen sollte.

Dank der modernen Medizin ist es auf alle Fälle möglich, auch mit irregulären Antikörpern noch gesunde Kinder zur Welt zu bringen. Unter Umständen kostet es aber viel Zeit, Nerven, Blutabnahmen und Ultraschalltermine.

Die Entscheidung dafür oder dagegen können nur die betroffenen Paare selbst treffen. Trotzdem möchten wir anbei ein paar Informationen und Denkanstöße geben, die bei der Entscheidung unterstützen können. Hilfreiche Fragen können sein:

  • Hätten wir eine Chance auf ein Rhesus - negatives Kind und damit eine völlig unbeschwerte Schwangerschaft?

 

  • Wie verlief die letzte Schwangerschaft? Welche medizinischen Möglichkeiten mussten bereits ausgeschöpft werden? Welche Behandlungsoptionen wären noch offen gewesen?

 

  • Haben wir ein gutes Ärzteteam um uns herum, dem wir vertrauen und das Erfahrungen mit intrauterinen Transfusionen hätte?

 

  • Schaffen wir es logistisch, zeitlich und emotional wöchentliche Kontrolltermine wahrzunehmen? Haben wir Hilfe bei der Betreuung der älteren Geschwister?

Längst nicht jede Schwangerschaft mit irregulären Antikörpern muss dramatisch verlaufen und zu transfusionspflichtigen Anämien führen. Gerade in der ersten Schwangerschaft nach Sensibilisierung bestehen gute Chancen, dass es nicht bzw. erst sehr spät zu einer Boosterung der Antikörper kommt und somit auch keine Eingriffe während der Schwangerschaft erforderlich werden. In diesem Fall kann man - von den vielen Blutabnahmen und häufigen Ultraschallterminen mal abgesehen - eine fast “normale” Schwangerschaft erleben. Trotzdem sind die vielen Termine (meistens gibt es ja bereits ein Kleinkind aus einer vorherigen Schwangerschaft zu versorgen) nicht nur logistisch herausfordernd, sondern auch eine Nervenprobe. Die Angst, Titer und Blutflussgeschwindigkeit könnten steigen und doch noch eine Transfusion erfordern sowie die Ungewissheit, welche Maßnahmen nach der Geburt nötig sein werden, sitzen immer im Nacken.

 

Hat die Mutter bereits eine Schwangerschaft, in der intrauterine Transfusionen durchgeführt werden mussten, erlebt, so ist das Wiederholungsrisiko bei einer weiteren Schwangerschaft jedoch sehr, sehr hoch. Vielmehr muss man von Schwangerschaft zu Schwangerschaft mit schwereren Verläufen rechnen, da dass Immunsystem bei jeder erneuten Exposition lernt und sich somit bei jedem Kontakt schneller und effizienter gegen den “Eindringling” wehren kann. In der Literatur wird berichtet, dass in einer Folgeschwangerschaft etwa 10 Wochen früher mit einer behandlungsbedürftigen Anämie und ersten Transfusion zu rechnen ist als in der vorherigen.

 

Die einzige Möglichkeit, das Problem in Folgeschwangerschaften zu umgehen, besteht darin, wenn das Kind die gleiche Blutgruppe wie die Mutter aufweist. Trägt der Vater sowohl das Gen für rhesus - postiv als auch für rhesus - negativ (man nennt das heterocygot), liegt die Wahrscheinlichkeit ein rhesus - negatives Kind zu bekommen bei 50%. Die Bestimmung des Zygotie - Status (Achtung: das ist NICHT das gleiche wie die Blutgruppenbestimmung) kann Auskunft geben, ob diese Chance besteht. Eine weitere Alternative würde die Samenspende eines rhesus - negativen Spenders darstellen. In diesem Fall wäre ein so gezeugtes Kind mit 100 %iger Wahrscheinlichkeit rhesus - negativ. Theoretisch bestünde zudem die Möglichkeit, bei einer künstlichen Befruchtung mittels Präimplantationsdiagnostik (PID) vorab die “richtige” Blutgruppe auszuwählen. In Australien wurde bereits 2004 das erste Baby mit vorab ausgewählter Blutgruppe geboren. In Deutschland ist PID durch das Embryonenschutzgesetz verboten.

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